Am 20. Oktober 2011
hatte eine Gruppe von 46 Kindern aus einem Görlitzer Hort das Neiße-Bad
besucht. Gegen 10.00 Uhr war eine siebenjährige Nichtschwimmerin aus Görlitz
leblos aus dem Lehrschwimmbecken des Bades geborgen, erfolgreich reanimiert und
in eine Spezialklinik nach Dresden überführt worden, wo sie am 21. Oktober 2011
verstarb.
Todesursächlich war
ein sauerstoffmangelbedingter Hirnschaden infolge eines Ertrinkungsgeschehens,
wobei die anfangs geäußerte Vermutung, das Kind könne gestürzt und ins
Lehrschwimmbecken gefallen sein, mit rechtsmedizinischen Befunden nicht
untersetzt werden konnte. Bei einem Sturzgeschehen wären aber entsprechende
Verletzungen oder Spuren an dem Kind zu erwarten gewesen.
Im Rahmen der
umfangreichen Ermittlungen wurde durch die Staatsanwaltschaft Görlitz auch ein
zweiteiliges, ausführliches Gutachten eines Bädersachverständigen eingeholt.
Danach stand fest, dass Betreiber und Personal des Neißebades keinerlei
Verschulden trifft. Die Aufsicht über badende Kinder aus Kindereinrichtungen
obliegt grundsätzlich den die Gruppe begleitenden Aufsichtspersonen, die im
Übrigen „rettungsfähig“ sein müssen; das bedeutet: Sie müssen über das
Rettungsschwimmabzeichen in Bronze verfügen.
Für den Besuch
öffentlicher Bäder durch Kindergruppen gibt es diverse Handlungsanweisungen,
nach denen u.a. gilt:
- Für jedes Kind muss eine Badeerlaubnis
eingeholt werden.
- Bei der Planung eines
Badbesuches soll eine Badeordnung erstellt werden.
- Jede Aufsichtsperson soll maximal zehn ihr ausdrücklich zugewiesene Kinder ununterbrochen beaufsichtigen.
- Jede Aufsichtsperson muss die Stärken und Schwächen der ihr zur Aufsicht zugewiesenen Kinder kennen.
- Die Aufsicht erfolgt stets personenbezogen und nicht nach räumlichen Aspekten.
- Es muss zusätzlich eine Person vor Ort sein, die die nicht badenden Kinder beaufsichtigt.
- Nichtschwimmer sollen in maximal brusttiefem Wasser baden.
Diese Regelungen waren offensichtlich weder den die Kindergruppe begleitenden Aufsichtspersonen noch der Hortleiterin bekannt, was dazu führte, dass die zur Aufsicht am Lehrschwimmbecken eingeteilte Betreuerin sich in Straßenbekleidung dort aufhielt, mehr als zehn Kinder beaufsichtigte, es zuließ, dass Nichtschwimmer in für sie zu tiefes Wasser gerieten, ihre Pflicht zur dauerhaften Beaufsichtigung der Kinder vernachlässigte und daher nicht bemerkte, dass ein Kind für mehrere Minuten unter Wasser geraten und dadurch irreversibel geschädigt worden war.
Durch die zur Sache geführten Ermittlungen wurde bekannt, dass alle einschlägigen Materialien für derartige Badbesuche im Hort vorlagen, durch die Hortleiterin – ihren Vorgesetztenpflichten nicht genügend – den ihr unterstellten Erzieherinnen aber nicht bekannt gemacht worden waren.
Die Hortleiterin (55) und die am Lehrschwimmbecken tätig gewesene Erzieherin (64) wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Görlitz durch das Amtsgericht Görlitz im Strafbefehlsverfahren jeweils rechtskräftig zu Geldstrafen von 80 und 50 Tagessätzen verurteilt. Weil ein höherer Grad des Verschuldens bei der Vorgesetzten gesehen wurde, lag die ihr gegenüber ausgesprochene Strafe auch über jener für die Erzieherin.
Weiterhin folgte die Staatsanwaltschaft Görlitz der Anregung des Sachverständigen für Bäderwesen und hat geprüft, inwieweit sich die Vorgesetzten der Leiter(innen) von Kindertageseinrichtungen der Stadt Görlitz ein Organisationsverschulden bezüglich des tragischen Unfalls im Neißbad zurechnen lassen müssen.
Im Ergebnis der Überprüfungen – u.a. wurde umfangreiches Schriftgut zu erfolgten Schulungen/ Belehrungen bzw. einschlägige Handlungsanweisungen, soweit vorhanden, sichergestellt – war festzustellen, dass durch die Verantwortlichen der Stadt in sehr großem, aber zulässigem Maße auf die Eigenverantwortung der Kindertagesstättenleiter(innen) gesetzt worden war. Auch waren die für Badbesuche einschlägigen Materialien (Handlungsanweisungen / Unfallverhütungsvorschriften) den Kindertagesstätten übermittelt worden. Eine erste Schulung konkret zur Thematik des Besuches öffentlicher Bäder durch Kindereinrichtungen hatte aber erst nach dem Unfall vom Oktober 2011 stattgefunden.
Auch weil der sichere Schluss, bei anderer Vorgehensweise der Vorgesetzten der Leiter(innen) von Kindertageseinrichtungen wäre der Unfall garantiert verhindert worden, nicht gezogen werden konnte, wurde das Ermittlungsverfahren insoweit eingestellt.
Quelle: PD Görlitz / Staatsanwaltschaft Görlitz
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