Bundeslagebild Menschenhandel 2011 - Bundeskriminalamt veröffentlicht
aktuelle Zahlen für Deutschland
Wiesbaden - Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 482 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um knapp drei Prozent (2010: 470).
Die Zahl der wegen Verdachts des Menschenhandels registrierten
Tatverdächtigen betrug 753 und damit auch etwa drei Prozent mehr als im
Vorjahr (2010: 730). Bei den Tatverdächtigen dominierten mit einem Anteil
von 28 Prozent erneut deutsche Staatsangehörige. Den größten Anteil bei den
ausländischen Tatverdächtigen stellten rumänische, bulgarische und türkische
Staatsangehörige.
Die Anzahl der Opfer ist mit 640 um knapp fünf Prozent gegenüber dem
Vorjahr (2010: 610) gestiegen. Entsprechend der Entwicklung in den
vergangenen Jahren stammte auch 2011 der Großteil der Opfer (88
Prozent) aus dem europäischen Raum. Dabei dominierten erneut rumänische (165
Opfer) und bulgarische (98 Opfer) Staatsangehörige.
Deutsche Opfer machten erstmals seit mehreren Jahren nicht den größten
Anteil aus, obwohl ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr von 121 auf 139 gestiegen
ist. Rund 14 Prozent aller Opfer waren minderjährig. 27 Prozent aller 2011 ermittelten Menschenhandelsopfer gaben an, mit der Aufnahme der Prostitutionsausübung einverstanden gewesen zu sein. Dies entspricht einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr 2010 (36 Prozent). Weitere 39 Prozent wurden unter Täuschung zur Prostitutionsausübung verleitet, acht Prozent der Opfer unter professioneller Legende, zum Beispiel durch angebliche Model- und Künstleragenturen oder über Inserate in Zeitungen, angeworben. Der Anteil der Opfer, die unter Gewaltanwendung zur Prostitutionsausübung gezwungen wurden, ist mit 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr (11 Prozent) angestiegen.
Nachdem die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung von 2009 auf 2010 um 12 Prozent zurückging, ist in 2011 wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Es ist jedoch nach wie vor von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen, da sich der Menschenhandel vor allem durch komplexe und nur schwer zu ermittelnde Tatstrukturen auszeichnet.
Die Aussagen von Opfern sind vielfach unentbehrlich, um erfolgreich Strafverfolgungsmaßnahmen durchführen zu können. Da Prostituierte auf Nachfrage gegenüber der Polizei häufig bestätigen, ihrer Tätigkeit freiwillig nachzugehen, bleibt die Drohkulisse, die im Hintergrund von den Tätern aufgebaut wird, oft unentdeckt. Es besteht wenig Bereitschaft, mit der Polizei und den Beratungsstellen zu kooperieren. Dies führt sogar so weit, dass anfänglich gewonnene Zeugenaussagen oftmals wieder zurückgezogen werden.
Im Bereich Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft
wurden im vergangenen Jahr insgesamt 13 Ermittlungsverfahren abgeschlossen.
Dies entspricht einem deutlichen Rückgang von 46 Prozent gegenüber dem
Vorjahr.
Insgesamt wurden 25 Tatverdächtige - und damit knapp 32 Prozent weniger
als im Vorjahr - registriert. Wie im Bereich des Menschenhandels zum Zweck
der sexuellen Ausbeutung konnten pro Ermittlungsverfahren durchschnittlich
zwei Tatverdächtige ermittelt werden. Der Großteil davon - elf
Tatverdächtige - waren deutsche Staatsangehörige.
Im Jahr 2011 wurden 32 Opfer des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft ermittelt, rund 22 Prozent weniger als im Vorjahr. Der überwiegende Teil der Opfer stammte aus Polen und Rumänien.
Die Anwerbung der Opfer verlief in der Regel mit deren Einverständnis,
nur bei sechs Opfern führten Täuschung oder die Anwendung von Gewalt zur
Ausübung von Tätigkeiten.
Die rückläufige Entwicklung der Zahlen im Jahr 2011 ist vor allem auf ein
Großverfahren des Landeskriminalamtes Niedersachsen zurückzuführen, was
einen deutlichen Anstieg der Anzahl der Ermittlungen im Jahr 2010 zur Folge
hatte. 2011 befanden sich die Zahlen wieder auf dem Niveau vom Jahr 2009.
Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft ist in Deutschland noch immer eines der Kriminalitätsphänomene, welches unter
anderem durch eine hohe Dunkelziffer gekennzeichnet ist. Dies erklärt sich
insbesondere durch die bestehende Abhängigkeit der Opfer von den Tätern, die die Opfer in ihrer Kooperationsbereitschaft mit den Strafverfolgungsbehörden einschränkt. Zwang und Ausbeutung sind wesentliche Elemente dieser Straftat und zunächst meist nicht sichtbar. Für die Betroffenen - die Opfer des Menschenhandels - ist die ausbeuterische Arbeit in vielen Fällen die einzige Möglichkeit, ihre Familien in den Herkunftsstaaten zu ernähren. Deshalb sind sie häufig bereit, auch widrigste Arbeitsbedingungen hinzunehmen, die nicht selten mit hohen Schulden, Angst vor Repressalien und Gewalt gegen sich selbst und die Angehörigen verbunden sind.
BKA-Präsident Jörg Ziercke: "Der Menschenhandel insgesamt stellt
weiterhin ein massives Problem dar und bedarf auch künftig einer
konsequenten Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden. Es geht hierbei
um Opferschutz und die Zerschlagung internationaler Täterstrukturen. Auch
wenn im vergangenen Jahr zahlreiche Ermittlungsverfahren auf der Grundlage
von Strafanzeigen initiiert wurden, sind polizeiliche Kontrollmaßnahmen
sowohl für die Identifizierung von Opfern als auch für die notwendige
Aufhellung des immer noch erheblichen Dunkelfeldes von grundlegender
Bedeutung. Nur wenn es gelingt, das Vertrauen der Opfer zu gewinnen, sie zur
Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden zu bewegen und professionell zu betreuen, können Menschenhändlerringe ermittelt und die Täter zur
Verantwortung gezogen werden."
Weitere Einzelheiten finden Sie auf der Homepage des BKA unter www.bka.de
unter Themen A - Z / Menschenhandel.
Quelle: Bundeskriminalamt
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